Vermessungsdrohne mit Multispektralkamera fliegt über einen Mistelzweig

Nicht unter – sondern über dem Mistelzweig!

Drohnenflüge mit Multispektralkamera zur Detektion von Mistelbefall in Streuobstwiesen

Die unkontrollierte Ausbreitung von Misteln in Obstbaumgehölzen gefährdet den für Deutschland typischen Streuobstwiesenbestand. Mit Hilfe der photogrammetrischen Auswertungen von Multispektralbildern soll eine frühzeitige, automatische Erkennung und Abschätzung des Mistelbefalls in Streuobstwiesengebieten ermöglicht werden. Damit sollen gezielte Gegenmaßnahmen zur nachhaltigen Erhaltung des Baumbestands, sowie der in Streuobstwiesen herrschenden Mikroklimate möglich werden.

Warum Misteln?

Mit der Mistel verbinden viele eine geheime Zutat für den Zaubertrank einiger Comic-Helden, oder den romantischen Brauch in der Vorweihnachtszeit zu zweit unter einem Mistelzeig zu stehen.

Als totaler Kontrast zu diesem positiven Image der Mistel steht aber deren parasitäre Eigenschaft entgegen. Was in Streuobstwiesen im Winter manchmal wie ein immergrüner Apfelbaum aussieht, ist in Wirklichkeit ein todgeweihter Apfelbaum dessen schmarotzerischen Misteln den Baum übernommen haben.

Die Mistel ist ein Parasit, die sich in die Äste von ein paar Baumarten – darunter vor allem Apfelbäume – einnistet und den Baum durch den Entzug von Wasser und Nährstoffen bis zum Absterben des Baumes schädigt.

In den letzten Jahren hat die Ausbreitung der Mistel stark zugenommen: Durch den Klimawandel stehen die Bäume unter „Trockenstress“ und sind dadurch anfälliger für Krankheiten und Parasiten wie die Mistel. Die klimatischen Bedingungen für das Mistelwachstum selbst sind zusätzlich günstiger geworden.

Die Zunahme des Mistelbefalls gefährdet den Baumbestand in den für Deutschland typischen Streuobstgebieten. Ernteausfälle und Verlust von ganzen Bäumen im Obstanbau sind die Folge. Die befallenen und absterbenden Bäume fallen dann aber auch als Nistplätze für Vögel, Lebensraum für andere Tiere und als Garant für Kleinklimate (Schattenspender, Laub für Mikroorganismen etc.) weg.

Gemeinden, sowie Obst- und Gartenbauvereine sind daher sehr daran interessiert durch gezielte Gegenmaßnahmen, beispielsweise durch rechtzeitiges (!) Entfernen der Misteln, die unkontrollierte Ausbreitung von Misteln einzudämmen.

Die Herausforderung: Den Mistelbefall möglichst frühzeitig (!) und flächendeckend zu erkennen und zu kartieren.

Bereits in zwei Masterarbeiten im Studienbereich Vermessung arbeitet man an der Entwicklung einer Methode, um mit Hilfe von Drohnenflügen und einer Multispektralkamera eine frühzeitige und flächenhafte Erfassung von Misteln in Streuobstwiesengebieten zu ermöglichen.

Die mit der Multispektralkamera aufgenommenen „Spezial-Bilder“ werden dabei photogrammetrisch ausgewertet. Die in unterschiedlichen Frequenzbereichen (z.B. Nahinfrarot) des Lichts aufgenommenen Bilder werden analysiert, um beispielsweise geschädigte von gesunder Vegetation zu unterscheiden: Im Nahinfrarotbereich unterscheiden sich Bereiche mit hoher photosynthletischer Aktivität deutlich von Bereichen mit niedriger photosytnthetischer Aktivität durch die Reflexionseigenschaften. Mit weiteren Analysen versucht man letztendlich die Misteln zum Einen schon im Frühstadium, und zum Anderen auch bei leicht belaubten Bäumen im Herbst zu erkennen. Ziel soll die flächenhafte Kartierung eines Streuobstwiesengebiets mit Information über die Verbreitung der Misteln und ggfs. auch mit dem Standort der im Frühstadium der Entwicklung empfindlichen Misteln sein.

Falschfarbenbilder einer Multispektralaufnahme im Nahinfrarotbereich (schwarz/weiß) und im Infrarotbereich aus 3 Farbkanälen -Rot, Grün, Blau- gerechnet (schwarz/rot). In den Bildern können Bereiche mit unterschiedlich hoher photosynthetischer Aktivität unterschieden werden und es lassen sich damit Rückschlüsse auf den Zustand und das Alter von Vegetation / Biomasse schließen.

Im Bild sind zwei Bäume auf einer Wiese aus der Luftperspektive zu sehen: Die Baumstrukturen sind als weiße- (schwarz/weiß-Bild) bzw. als schwarze-Strukturen (schwarz/rot-Bild) erkennbar. Die Mistel ist als dunkler Fleck bzw. tiefroter Bereich erkennbar.

Die Analyse und Kombination verschiedener Falschfarbenbilder erlaubt eine zielgerichtete Detektion von Misteln.

Mehr Nachhaltigkeit und Resilienz unseres Lebensraums

Neben den Techniken und Methoden der Vermessung, Geoinformatik und Photogrammetrie ist auch der vermehrte Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) für die automatische Detektion von Misteln in Multispektralbildern angedacht.

Weitere Abschlussarbeiten und ggfs. ein Forschungsprojekt sind zu diesem Thema geplant, um die Methode zur frühzeitigen, flächenhaften Detektion von Misteln weiter zu entwickeln und zu validieren.

Die Streuobstwiesen sind ein Teil unseres Lebensraums. Für diesen leisten wir mit der flächenhaften Mistel-Erfassung als Basis für Pflegemaßnahmen einen Beitrag zum Erhalt. Wir werden weiter „über dem Mistelzweig“ fliegen!

Veröffentlichungsdatum: 08. Dezember 2023 Von Jörg Hepperle ()